Projekt

FAIR – INTERNATIONALE BESCHLEUNIGER-ANLAGE

ZUR FORSCHUNG MIT ANTIPROTONEN UND IONEN

In Darmstadt entsteht in unmittelbarer Nachbarschaft des GSI Helmholtzzentrums für Schwerionenforschung derzeit eine der größten Forschungsanlagen weltweit: der neue Teilchenbeschleuniger FAIR (Facility for Antiproton and Ion Research in Europe). Hier werden Wissenschaftler geladene Atomkerne, sogenannte Ionen, auf nahezu Lichtgeschwindigkeit beschleunigen und mit anderen Atomkernen kollidieren lassen. So wollen die Forscher großen naturwissenschaftlichen Fragen nachgehen: Wie hat sich das Universum entwickelt? Wie entstehen Elemente? Warum wiegt ein Mensch 70 Kilogramm, wo alle Elementarteilchen, aus denen seine Atome bestehen, zusammen kaum 700 Gramm ausmachen? 3.000 Wissenschaftler aus mehr als 50 Ländern werden FAIR nach der Fertigstellung nutzen. Mitte der 1990er-Jahre entstanden die ersten Entwürfe für das Projekt, heute sind rund 2.800 Wissenschaftler und Ingenieure aus mehr als 50 Ländern an den Planungen für FAIR beteiligt. Entsprechend ist die Eigentümerin der Anlage und Bauherrin eine internationale Gesellschaft, die von europäischen und asiatischen Ländern getragen wird: die FAIR GmbH, gegründet 2010 als Kapitalgesellschaft und konstituiert durch völkerrechtliche Verträge mit der Aufgabe, die Teilchenbeschleunigeranlage FAIR zu bauen und zu betreiben. Die Partnerstaaten und Eigentümer der FAIR GmbH sind Deutschland, Finnland, Frankreich, Indien, Polen, Rumänien, Russland, Schweden und Slowenien; Großbritannien ist assoziierter Partner. Insgesamt sind die Kosten für das Projekt mit 1,357 Milliarden Euro veranschlagt, von denen die Bundesrepublik Deutschland zusammen mit dem Sitzland Hessen rund 75 Prozent trägt. Die Forschungsanlage dient nicht allein der Wissenschaft, sondern hat auch eine weitere große gesellschaftliche Bedeutung: Mit Hilfe von FAIR wird in Zukunft eine neue Generation internationaler Wissenschaftler und Ingenieure gemeinsam ausgebildet werden – mit großer Wirkung in die Gesellschaft hinein, denn mehr als drei Viertel der jungen Frauen und Männer finden nach ihrer Promotion berufliche Perspektiven in der Wirtschaft.

Visualisierung

FAIR wird Antiprotonen- und Ionenstrahlen mit bisher unerreichter Intensität und Qualität liefern. Herzstück der Anlage ist ein Doppelring-Beschleuniger (SIS100 – Schwerionen-Synchrotron) mit einem Umfang von 1100 Metern. An diesen schließt sich ein komplexes System von Speicherringen und Experimentierstationen an. Insgesamt umfasst die Anlage rund 3,5 Kilometer Strahlführungsrohre. Das seit 1969 bestehende GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung wird baulich und technisch mit FAIR verbunden sein: Die bestehenden GSI-Beschleuniger werden als erste Beschleunigungsstufen für die neue Anlage dienen. FAIR wird jedoch einen 1.000-fach intensiveren, hochenergetischen Teilchenstrahl erzeugen können.

Experimente

Mithilfe des intensiven, hochenergetischen Teilchenstrahls von FAIR lassen sich etwa extrem seltene Atomsorten („Isotope“) herstellen. Mit diesen Isotopen wollen die Wissenschaftler experimentell nachvollziehen, wie unsere Elemente in gewaltigen Sternenexplosionen, den sogenannten Supernovae, entstanden sind. Außerdem können winzige Materiemengen so stark verdichtet werden, dass für Sekundenbruchteile ein Zustand entsteht wie sonst nur in Neutronensternen, die zu den dichtesten Objekten im Universum zählen: Die Masse zweier Sonnen ist in einem Neutronenstern zusammengepresst auf den Durchmesser einer Großstadt. Wie sich Materie unter solch extremen Bedingungen verhält und was sie dabei über die Starke Kraft verrät, die die Elementarteilchen in Atomen zusammenbindet, ist ein weiterer Forschungsgegenstand.

Ein anderer Teil der Anlage wird einen hauchdünnen Strahl aus Antiteilchen erzeugen. Antimaterie gleicht fast völlig der uns bekannten Materie. Doch treffen Antimaterie und Materie zusammen, so vernichten sie sich gegenseitig zu reiner Energie – aus der sich wieder Materie bildet. Auch in diesem Experiment wollen die Forscher mehr über die Natur der Starken Kraft lernen. Denn die Starke Kraft verleiht der Materie offenbar den Großteil ihrer Masse – das Higgsteilchen kann lediglich rund ein Prozent der Masse eines Atoms erklären.

Neben der Grundlagenforschung sind an der Teilchenbeschleunigeranlage auch Experimente zur Materialforschung zum Beispiel für Weltraummissionen und zur Tumortherapie geplant. Für den Betrieb von FAIR müssen überdies Hochleistungscomputer und –netzwerke geschaffen werden, denn während eines Experiments wird zum Beispiel ein großer Teilchendetektor ein Terabyte (200 DVD) pro Sekunde an Daten sammeln, die kurz zwischengespeichert und dann auf 1 Gigabyte pro Sekunde reduziert werden – und das an 300 Tagen im Jahr.

Gebäude

Die neue Teilchenbeschleunigeranlage FAIR wird auf 20 Hektar Fläche östlich des GSI Helmholtzzentrums für Schwerionenforschung gebaut. Herzstück von FAIR ist ein großer, unterirdischer Ringbeschleuniger von 1,1 Kilometern Länge. An ihn schließen sich 23 Gebäude und Tunnelabschnitte an. Die Bauwerke bieten Raum für die 3,2 Kilometer Strahlführung, für Experimentier- und Speicherringe sowie für riesige Teilchendetektoren. Außerdem muss hier eine komplexe technische Infrastruktur untergebracht werden, die von der Stromversorgung bis hin zur Kryotechnik reicht, da teilweise supraleitende Magnete den Teilchenstrahl führen. Insgesamt werden 600.000 Kubikmeter Beton und 35.000 Tonnen Baustahl für FAIR verbaut. Wegen der Anforderungen des Strahlenschutzes sind die Wände und Decken der Bauwerke bis zu acht Meter dick, zudem wird ein Großteil der Gebäude mit Erde überdeckt.